Teilautonome Lösungen auf dem Vormarsch
Jedes Jahr im Wonnemonat Mai präsentieren die Lebensversicherer der Öffentlichkeit ihre Betriebsrechnung zur beruflichen Vorsorge. An dieser Tradition hält auch die Axa fest, obwohl ihr klassisches, der Finma unterstelltes Versicherungsgeschäft seit der Abkehr vom Vollversicherungsmodell per 1. Januar 2019 massiv am Schwinden ist: von den knapp 360000 aktiven Versicherten waren nur noch 30000 in Vollversicherungslösungen – eine Zahl, die weiter gegen 0 sinken wird, da sich die entsprechenden Lösungen (insbesondere mit Verbänden) in Abwicklung befinden.
Das Timing der Axa war, so lässt sich rückblickend sagen, perfekt: 2019 und 2020 waren sehr einträgliche Anlagejahre – ein Umfeld, in dem teilautonome Lösungen auch für die Versicherten deutlich attraktiver sind. Rund 1 Mrd. Franken mehr konnten den Versicherten laut den Verantwortlichen des Versicherers ausgeschüttet werden, als dies in der Vollversicherungslösung möglich gewesen wäre. Der Versichertenbestand hat nach einem Knick in Folge des Modellwechsels nun wieder dieselbe Grössenordnung wie zu Vollversicherungszeiten erreicht, das Vorsorgekapital ist sogar höher.
Wer sich zuerst bewegt, muss büssen
Einen Kundenrückgang infolge Modelländerung hatte auch Helvetia zu verkraften: Die Folgen der Einführung eines reduzierten Umwandlungssatzes im Obligatorium (wie auch einer sehr zurückhaltenden Zeichnungspolitik im Vollversicherungsbereich) zeigten sich 2020 in einem deutlichen Rückgang der Anzahl der Versicherten wie auch des Prämienvolumens (letzteres sank um 22% gegenüber dem Vorjahr). Bei der eigenen teilautonomen Lösung Helvetia BVG Invest wie auch bei den Swisscanto Sammelstiftungen wurde hingegen ein leichtes Wachstum verzeichnet.
In der Summe zählt Helvetia noch knapp 170000 Versicherte im BVG-Bereich, wobei nur noch gut die Hälfte im Vollversicherungslösungen ist – 2018 waren es noch zwei Drittel. Helvetia sieht ihren Weg als zukunftsweisend: Insbesondere habe man durch die Umwandlungssatzsenkung die Umverteilung zu den Rentnern reduzieren können. Während sie in den Jahren 2016 bis 2019 zwischen 160 und 184 Mio. Franken schwankte, lag sie 2020 nur noch bei 119 Millionen – Tendenz sinkend.
Marktführer Swiss Life hat erst auf nächstes Jahr einen Modellwechsel angekündigt – man folgt hier dem Modell der Helvetia, die als First Mover entsprechend hatte Federn lassen müssen. Offensichtlich ist aber, dass auch Swiss Life das Wachstum bei den teilautonomen Lösungen forciert – sie machen bereits knapp die Hälfte des Neugeschäfts aus. Auch bei Swiss Life sanken die Bruttoprämien deutlich (um 18%), wobei hierfür eher ein Basiseffekt verantwortlich ist: 2019 war wegen des Systemwechsels der Axa ein herausragend gutes Jahr, das Prämienvolumen in diesem Jahr entsprechend hoch. Von den 505000 aktiven Versicherten der Swiss Life sind 375000 in Vollversicherungslösungen.
Die Pax verzichtete auf eine Medienpräsentation ihrer Betriebsrechnung, vermeldete aber ein «verhaltenes» Neugeschäft. Dies habe einen starken Rückgang der Einmaleinlagen sowie eine Prämienabnahme mit sich gebracht – insgesamt gingen die Bruttoprämien von 473.9 auf 445.2 Mio. Franken zurück. Den Grund für das schwache Neugeschäft ortet Pax bei weniger Firmenneugründungen sowie, auch hier, einer sehr selektiven Zeichnungspolitik. Der Versicherer beteuert, das Garantiemodell weiterzuführen, wobei er sich insbesondere von einem neuen Angebot Schwung erhofft, in dem jeder Anschluss zur Hälfte in der Garantielösung und zur Hälfte im teilautonomen Modell versichert ist.
Reformbedarf bleibt
Während 2020 auf der Anlageseite ein sehr wechselhaftes Jahr war, spürten die Versicherer auf der Passivseite keine Auswirkungen der Corona-Krise: Die Übersterblichkeit schlug sich in den Rentenverpflichtungen kaum nieder, unter anderem wohl auch, weil sie vor allem sehr alte Menschen betraf. Um die möglichen Folgen von Long Covid oder weiterer, insbesondere psychischer Folgen der Krise auf die Invalidität abzuschätzen, ist es noch zu früh, greift die Leistungspflicht der Pensionskasse doch erst nach 24 Monaten. Die Pandemie schmälerte im Übrigen auch die Dynamik am Vorsorgemarkt kaum: Insbesondere Axa zeigte sich von der Anzahl Neuanschlüsse positiv überrascht.
Die Verantwortlichen der drei Versicherer, die eine Medienpräsentation durchführten, waren sich darin einig, dass eine BVG-Reform ungebrochen dringend und zwingend ist. Swiss Life schätzte anlässlich ihrer Medienkonferenz, dass 25% ihres Bestands BVG-nahe versichert sind und damit effektiv von einer Senkung des Mindestumwandlungssatzes betroffen wären. Allerdings sei zu beachten, dass der Anteil BVG-naher Versicherter gegen die Pensionierung hin (was ja der entscheidende Zeitpunkt ist) eher sinkt, da ältere Versicherte eher Einkäufe tätigen und diese dem Überobligatorium zugerechnet werden.
Sei es über Modellwechsel, die Zeichnungspolitik oder Umwandlungssatzsenkungen: Die Versicherer tragen den Problemen des zu hohen Umwandlungssatzes und der tiefen Zinsen Rechnung. Lösen können sie diese Probleme jedoch nicht selber – hier liegt der Ball, zumindest in Sachen Umwandlungssatz, bei der Politik.