«Schweizer Personalvorsorge» 1/22: Ein Blick ins neue Jahr

I need a hero

vps.epas organisiert zum Jahresauftakt jeweils den Anlass «Horizonte und Trends». Da er wie bereits letztes Jahr covidbedingt ausfallen musste, geben wir auf diesem Weg einige Gedanken zum angebrochenen Vorsorge- und Anlagejahr weiter.

Man hat in diesen Monaten recht viele freie Abende und enstprechend mehr Zeit, um zu lesen. Ich nutzte dies, um mit «Mythos» und «Heroes» von Stephen Fry in die griechische Mythologie einzutauchen. Dabei bin ich auf die Geschichte von Jason gestossen:

Der junge Mann war auf dem Schiff «Argo» mit seinen Gefährten – den «Argonauten» – ausgefahren, um das goldene Vlies aus einem fernen Königreich zu ergattern. Nach diversen Abenteuern war dies gelungen, doch auch die Heimreise gestaltete sich hürdenreich. So gelangten die Argonauten an den Punkt, wo sie sich entscheiden mussten: Sollte sie die Seepassage wählen, auf der Skylla und Charybdis lauerten, ein Seeungeheuer und ein Strudel, oder einen Umweg in Kauf nehmen, auf dem allerdings die Planctae oder «wandernden Felsen» dräuten, enorm unruhige Gewässer?

Unser Held Jason entschied sich für letzteres. Die Argo, obwohl ein exzellentes Schiff, war bald ein Spielball der Wellen und drohte, an den wandernden Felsen zu zerschellen, so sehr der Steuermann des Schiffs auch dagegen ankämpfte. Da hörte Jason durch Sturm und Wind die Bugfigur der Argo rufen, die mit seherischen Fähigkeiten gesegnet war. Nachdem sie zu ihm gesprochen hatte, wies er den Steuermann an, das Steuerrad loszulassen. Die ganze Mannschaft gab den Kampf gegen die hohe See auf, warf sich aufs Deck und betete – und siehe, die Argo liess die gefährlichen Felsen unbeschadet hinter sich.   

Demut – und handeln

Die Geschichte hat mich (wie viele griechische Sagen) an die heutige Zeit erinnert: In der Pandemie, die uns seit bald zwei Jahren plagt, gibt es eigentlich nur schlechte Optionen – und selbst wenn man sich für die vermeintlich ungefährlichere entscheidet, ist dies keine Garantie dafür, die Kontrolle über die Situation zu behalten.

Ob die Kapitulation, das völlige Unterwerfen unter das Wirken höherer Mächte, dabei in der heutigen Welt auch den Königsweg darstellt, ist zu bezweifeln – doch eine Portion Demut gegenüber den Mächten des Schicksals kann meines Erachtens durchaus zu den Lehren aus der Krise gehören.

Sowohl in Sachen Altersreform wie auch beim Investieren der Pensionskassengelder ist es keine Option, sich auf die Schiffsplanken zu werfen und auf Rettung zu hoffen. Hier ist Handeln angesagt – wobei eine tatkräftige Heldin, ein schlauer Held dabei durchaus hilfreich wäre. Die für den Anlass geplanten Referentinnen und Referenten geben Ihnen nun je eine Heldin oder einen Helden mit auf den Weg durchs neue Jahr – und ich wünsche Ihnen an dieser Stelle viel Glück und Gesundheit auf der Reise zu Ihrem persönlichen goldenen Vlies.

Altersvorsorgereform

Patrick Baeriswyl, Pensionskassen-Experte SKPE, Partner Keller Experten AG
«Den Griechen verdanken wir noch viel mehr als heldenreiche Geschichten. Sie haben uns auch die Philosophie und die Demokratie gebracht. Zudem kamen in der Mythologie fast immer Göttinnen und Götter zu Hilfe. Sie, liebe Leserin und lieber Leser, sind ein Teil des Volkes. Wie wollen Sie die berufliche Vorsorge reformieren? Welche Parameter wollen Sie ändern? Tiefere Renten, höhere Beiträge oder doch spätere Pensionierung? Nehmen Sie an der öffentlichen Diskussion teil. So können wir eine berufliche Vorsorge für die Zukunft schaffen.»

Patrick Eugster, Selbständiger Ökonom, Präsident Renteninitiative
«In Zeiten, in denen jeglicher Beitrag zu einer Lösung von Links als Rentenklau betitelt wird, ist die BVG-Reform zweifellos eine Herkulesaufgabe. Wer also, wenn nicht er persönlich, kann eine solche Reform durchbringen? Bei den zwölf Taten des Herkules erlegte er unter anderem zwar einen Löwen und eine Hydra. Doch diese 13. Tat wird mit Sicherheit seine grösste sein.»

Christine Holstein, Vorstandsmitglied ASIP, Mitglied der Geschäftsleitung der Pensionskasse Nest
«Der vom Nationalrat mit 126 zu 66 Stimmen unterstützte BVG-Reformvorschlag berücksichtigt zwei zentrale Tatsachen, die im Modell des Bundesrats keine Beachtung fanden. Er kostet dank gezielter Kompensation weniger, bedeutet aber dennoch bessere Rentenleistungen für Frauen, Teilzeitarbeitende und Tieflohnempfänger. Im Hinblick auf die Beratungen im Ständerat wurde eine gute Grundlage geschaffen. Die Diskussionen gehen jedoch weiter. Auf diesem Weg kann uns Odysseus als Vorbild dienen, der auf seiner langen Irrfahrt mächtigen Göttern, gewaltigen Naturereignissen und Ungeheuern trotzen musste, aber schliesslich sein Ziel erreichte.»

Anna Storz, Leiterin Dossier Sozialpolitik, Travail.Suisse
«Zur Unterstützung für eine gute BVG-Reform bräuchten wir einen selbstlosen Helden wie Prometheus. Er hat sich zu Zeiten der griechischen Antike für die Rechte der Menschen eingesetzt und gegen den Willen von Zeus den Menschen das gegeben, was sie am bittersten nötig hatten: Feuer. Seine Tat musste er büssen, indem er jahrelang an einer Felswand hing und Geier ihm jeden Tag aufs Neue die stets nachwachsende Leber frassen. Bei der BVG-Reform geht es zwar weder um Feuer noch um Geier und dank ausgewogenem Sozialpartnerkompromiss müsste nicht einmal Prometheus fürchten, an eine Felswand gehängt zu werden. Nur fehlt es der Politik an prometheus’schem Willen, sich für die breite Gesellschaft einzusetzen und das Feuer in Form einer guten Rente für alle zu garantieren. Prometheus wurde übrigens nach einigen Jahren begnadigt. Sein Handeln im Sinne der Menschheit hat sich ausgezahlt.»

Anlagejahr 2022

Philippe Bertschi, Multi Asset Fund Manager, Schroders
«Inflation wird die Anleger auch im 2022 beschäftigen. Unterschiedliche Indikatoren zeigen, dass die inflationären Tendenzen wesentlich nachhaltiger sind als zunächst angenommen. Da wir in vielen Anlageklassen durch die Notenbanken getriebene hohe Bewertungen haben, bleibt abzuwarten, wie sich diese Anlageklassen verhalten, wenn Liquidität wieder aus dem System genommen wird. Viele Performancebeiträge der letzten Jahre, beispielsweise bei Staatsanleihen, sind auf notenbankpolitische Massnahmen zurückzuführen. Um das Anlagejahr 2022 erfolgreich zu meistern, benötigt man die Fähigkeiten von MacGyver – smart, agil und mit grosser Kreativität ausgestattet.»

Marc Brütsch, Chief Economist, Swiss Life, Stiftungsrat Anlagestiftung Swiss Life
«Hänsel und Gretel haben im Märchen eine Erfahrung gemacht, die auch Investoren von heute zugutekommt. Die unglücklichen Kinder wurden von ihren Eltern im Wald ausgesetzt ‹…als grosse Teuerung ins Land kam…›. Nach überstandenem Abenteuer kehrten sie mit reichlich Perlen und Edelsteinen zu ihrem Vater zurück. Sachwerte bleiben bis heute in Zeiten steigender Inflation erste Wahl. Hänsel und Gretel würden 2022 ihr Vermögen in Aktien, Infrastruktur und Immobilien investieren. Damit es zum Ende der Geschichte heissen kann: ‹Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen.›»

Anastassios Frangulidis, Leiter Multi Asset Zürich, Pictet Asset Management
«Das neue Anlagejahr wird aufgrund der abnehmenden Unterstützung seitens der Geld- und Fiskalpolitik volatiler und anspruchsvoller als das Letzte werden. Über das ganze Jahr gesehen wird die robuste Lage der Unternehmensgewinne zu einer positiven Preisentwicklung der globalen Aktienmärkte führen. Diese wird allerdings von starken vorübergehenden Korrekturen begleitet. Deshalb sollten die Investoren in 2022 in Zeiten der Marktanspannung, Weisheit zeigen und ihre für das Jahr definierte Strategie nicht verlassen. Eigenschaften, die die Göttin Athena im antiken Griechenland verkörperte.»