Ein Gesetzesartikel, eine Flut von Fragen
«Die Umsetzung der Bestimmung stellt grössere Herausforderungen als die Anpassung der reglementarischen Bestimmungen», stellte Jürg Brechbühl klar. Brechbühl erlebte die erste Phase der Debatte, die zu Artikel 47a führte, noch als Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV), nun ist er als freier Jurist im Themenfeld der beruflichen Vorsorge tätig.
Den obigen Satz sagte Brechbühl, nachdem er in zwei Webinaren von vps.epas zunächst die Kernelemente der Neuerung vorgestellt und dann eine Stunde lang diverse Umsetzungsfragen beantwortet hatte. Im Folgenden werden einige Punkte aus den beiden Webinaren aufgegriffen – einschränkend ist zu den Antworten zu bemerken, dass in einigen Fällen die Antworten nicht eindeutig sind und es noch keine Gerichtspraxis gibt. Ebenso ist die Praxis der Steuerbehörden noch offen.
Wer genau kann Art 47a in Anspruch nehmen?
Der Anspruch besteht grundsätzlich, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber aufgelöst wird. Dies gilt wohl auch, wenn eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses in gegenseitigem Einverständnis klar auf die Initiative des Arbeitgebers zurückgeht. Eher kritisch dürfte es sein, wenn der Arbeitnehmer selber gekündigt hat, um einer Kündigung durch den Arbeitgeber zuvorzukommen. Der Gesetzeslaut legt eine restriktive Auslegung nahe.
Müssen bzw. können Grenzgänger auch gemäss Art. 47a weiterversichert werden?
Nein. Voraussetzung für eine Versicherung in der beruflichen Vorsorge ist gemäss Gesetz eine Unterstellung unter die AHV, die bei Personen mit Wohnsitz im Ausland nicht gegeben ist.
Was passiert, wenn eine weiterversicherte Person eine neue Stelle antritt?
Die Freizügigkeitsleistung wird an die neue Pensionskasse überwiesen. Wenn für den Einkauf in die Leistungen in der neuen Kasse mindestens 2/3 der vorhandenen Freizügigkeitsleistung benötigt wird, so endet die Weiterversicherung bei der bisherigen Kasse. Werden weniger als 2/3 benötigt, wird die Versicherung bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung mit dem verbliebenen Kapital und einem reduzierten versicherten Lohn weitergeführt.
Kann eine Person auch nur die Risikoversicherung weiterführen?
Ja. Während die Risikoversicherung weitergeführt werden muss, kann auf Sparbeiträge verzichtet werden. Ein Versicherter kann auch nach einer gewissen Zeit entscheiden, keine Sparbeiträge mehr zu bezahlen. Der umgekehrte Fall, später auf einen Verzicht auf Sparbeiträge zurückzukommen, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Es liegt aber wohl im Ermessen der Vorsorgeeinrichtung, diese Möglichkeit im Reglement einzuführen.
Können die Konditionen nach Beginn der Weiterversicherung durch die Pensionskasse noch verändert werden (z.B. Umwandlungssatz, Beitragshöhe)?
Ja, sofern diese Änderungen für alle Versicherten gelten (Gleichbehandlung).
Bisher wurden die obligatorische Risikoversicherung für arbeitslose Personen über die Stiftung Auffangeinrichtung durchgeführt. Wie sieht dies zukünftig aus?
Wenn sich eine Person nach Art 47a weiterversichert und über diese Vorsorgeeinrichtung eine mindestens gleichwertige Risikoversicherung geniesst, entfällt die Versicherung bei der Auffangeinrichtung.
Kann ein Versicherter noch Einkäufe tätigen?
Ja, sofern er den Sparprozess weiterführt, d.h. Sparbeiträge zahlt.
Kann sich ein Versicherter teilpensionieren lassen?
Nein, da er kein Arbeitspensum hat, das er entsprechend reduzieren kann. Eine Ausnahme ist die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit, für die über 2/3 der Freizügigkeitsleistung benötigt wird (siehe oben). Dann kann er sich (sofern er das reglementarisch notwendige Alter hat) bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung mit dem verbliebenen Kapital pensionieren lassen. Aus Sicht der Vorsorgeeinrichtung ist dies aber eigentlich eine ordentliche Pensionierung.
Gilt Art 47a auch für 1e-Vorsorgepläne?
Nein, für rein überobligatorische Vorsorgelösungen kommt er nicht zur Anwendung.
Soweit eine erste Auswahl an Umsetzungsfragen und entsprechender Antworten. Das Thema wird die Vorsorgeeinrichtungen im Jahr 2021 sicher weiter beschäftigen – wie auch, mit einer gewissen Verzögerung, die Gerichte.