«Schweizer Personalvorsorge» 09/20 – Kollektivleben

Die Zukunft gehört der dynamischen Altersvorsorge

Die Entpolitisierung der Umwandlungssätze ist eine berechtige Forderung. Doch es ist nur die halbe Miete. Denn auch die versicherungstechnisch korrekt festgelegten Renten sind immer zu hoch oder zu tief.


 

Für lebenslänglich unveränderte Altersrenten müssten Lebenserwartung und Kapitalerträge für die Zukunft verbindlich festgelegt werden können. Bekanntlich eine Unmöglichkeit. Heute profitieren die Rentner von einer garantieren Verzinsung auf ihrem Alterskonto. Das Risiko tragen aber allein die Aktiven. Damit wird aus dem Kapitaldeckungs- ein systemwidriges Umlageverfahren. Die Umverteilung erfolgt vor allem zu Lasten der Jüngeren. Das ist stossend und verlangt nach Korrektur. Gefragt ist ein Königsweg, der die Aktiven entlastet, die Sicherheit der Pensionskassen erhöht und keine zusätzlichen Kosten verursacht. Und fundamental: Rentner brauchen ein stabiles, planbares Einkommen. Das heisst, Anpassungen müssen moderat erfolgen.

«Weniger versprechen, so viel wie möglich zahlen», war die Grundidee der Einführung eines neuen Rentenmodells bei der Pensionskasse PwC. Dazu wurden ungefähr 90 Prozent der bisherigen Rente als fixe Altersrente bezeichnet, die restlichen 10 Prozent als variabler Bonusteil. Jeweils drei Jahren bleiben die Leistungen unverändert, nachher können sie um 2 Prozentpunkte nach oben oder unten angepasst werden. Grundlage für die Anpassung ist der Vergleich zwischen der für die Rentenzahlung notwendigen Kapitalrendite mit der tatsächlich erwirtschafteten. Massgebend für die Soll-Rendite ist der technische Zins, der dem Umwandlungssatz der versprochenen Rente zugrunde liegt. Dazu kommen Zuschläge für Lebenserwartung und Verwaltung. Logisch ist: Je höher der angewandte Umwandlungssatz, umso höher die notwenige Rendite. Das führt zu einer bemerkenswerten Schlussfolgerung: «Tiefe Leistungsversprechen machen glückliche Rentner». denn: Tiefe Garantien = tiefe Soll-Rendite = höhere Gewinne auf den Kapitalerträgen = Leistungserhöhungen für die Rentner. Wichtig ist: Das Modell muss von Automatismen gesteuert werden. Willkür würde das Vertrauen zerstören.

Soweit und so gut, aber: Die zunehmende Erhöhung der Lebenserwartung und unsichere Kapitalerträge machen drastische Kürzungen der Umwandlungssätze notwendig und führt zu tiefere Renten. Das bewirkt zunehmend unerträgliche Diskrepanzen bei der Höhe der Renten von Alt- und Neurentnern. Neurentner bräuchten inzwischen etwa 50 Prozent mehr Sparkapital, um bei den tiefen Umwandlungssätzen auf die gleiche Altersrente zu kommen wie Altrentner. Aber wie soll das möglich sein, wenn die Aktiven wegen den zu hohen Leistungsversprechen für die Altersrentner auf einen substanziellen Teil ihrer Rendite verzichten müssen? Die Rentner sind nicht schuld an dieser unerträglichen Situation, aber ihre zu hohen Renten verursachen das Problem. Das bedeutet, auch die Altrentner sollten mittragen und nicht nur profitieren. Bei der Pensionskasse PwC regte ein 80-jähriger mehr Solidarität an – auch die bereits laufenden Altersrenten sollten variabel werden. Er meinte: «Nicht alle meine Kollegen finden das gut, aber ich bin halt ein Träumer». Doch ist dieser Eingriff überhaupt rechtskonform? Prof. Dr. Ueli Kieser von der Universität Zürich meint in einem Gutachten: Ja. 2014 wurden auch die Altrentner der Pensionskasse PwC in das variable System überführt. Die Betroffenen haben nicht begeistert, aber verständnisvoll reagiert. Per 1. Januar 2017 profitierten sie sogar von der Umstellung: Ihr Bonusteil könnte erhöht werden. Dann aber hat das Bundesgericht die Umstellung gestoppt und verlangt, dass zuerst gesetzliche Grundlagen geschaffen werden müssen.

Ein erster Versuch dazu, die Initiative Thomas Weibel, wurde im Nationalrat abgelehnt. Der zweite Anlauf mit der Volksinitiative «Vorsorge JA – aber fair» ist kürzlich auch gescheitert. Noch war es nicht Zeit, das grosse Tabu der Schweiz, die «heiligen Rentner», zu hinterfragen. Aber die Zeit begünstigt eine Erneuerung. Die Notwendigkeit für eine grundlegende Reform wird zunehmend erkannt. Die Altersvorsorge nimmt eine Spitzenposition auf dem Sorgenbarometer ein. Immer mehr Medien, Fachleute und sogar Repräsentanten von Seniorenverbänden sind offen für das Anliegen. Das ehemalige Reizthema kann stressfrei und immer sachlicher diskutiert werden. Wichtig ist auch, sich bewusst zu sein: bei Einführung des BVG waren die Rahmenbedingungen für die berufliche Vorsorge bedeutend besser. Bis zur BVG-Reform 2005 konnten sich Pensionskassen mit Sanierungsklauseln gegen eine Unterdeckung absichern.

Es wird sich die Erkenntnis durchsetzen: Eine Zweiklassengesellschaft von «reichen» Altrentnern und «bedürftigen» Neurentnern darf es nicht geben. Ohne Anpassung von Renten an die Rahmenbedingungen sind milliardenschwere, systemwidrige Umverteilungen unvermeidlich. Für eine nachhaltige, faire Reform sollen alle mittragen - auch die Rentner.

Der Akzentteil der Septemberausgabe der «Schweizer Personalvorsorge» ist dem Thema Kollektivleben gewidmet.