«Schweizer Personalvorsorge» 01/20 – fünf Jahre Negativzinsen

Nur Bares ist Wahres!

Angesichts der drohenden Negativzinsen auf Bankkonten überleg(t)en sich Pensionskassen, ihre Liquidität in Form von Bargeld zu lagern. Aufgrund diverser Hürden hat dieses Ansinnen bisher aber kaum eine Pensionskasse in die Tat umgesetzt.

Als sich 2012 die Kontokorrentzinsen ein erstes Mal der Null-Prozent-Marke näherten, begannen Pensionskassenverantwortliche das Unvorstellbare zu denken: Was wäre, wenn die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinsen gar ins Negative drückte? Man begann unter sich zu scherzen, in einem solchen Fall Platz für mit Bargeld gefüllte Tresore im Keller zu machen. Kaum jemand aber glaubte daran, sich jemals ernsthaft mit dieser Frage auseinandersetzen zu müssen.

In der Schweiz gab es bereits einmal happige Negativzinsen. Diese wurden 1972 durch einen dringlichen Beschluss und eine Verordnung des Bundesrats ausschliesslich auf von Ausländern in die Schweiz gebrachte Gelder eingeführt. Pensionskassen waren von dieser Massnahme nicht betroffen.

Ende 2014 sah sich die SNB veranlasst, Negativzinsen wieder Tatsache werden zu lassen, um die Wechselkursstabilität des Schweizer Frankens zu gewährleisten. Die -0.25 Prozent, die sie auf Girokontoguthaben vorerst einführte, versetzten die Finanzwelt noch nicht in Panik. Dies änderte sich Mitte Januar 2015 radikal, als die Europäische Zentralbank (EZB) das massive Quantitative-Easing-Programm ankündigte. Die SNB sah sich gezwungen, die zuvor verteidigte Wechselkursuntergrenze zum Euro von CHF 1.20 aufzugeben und Negativzinsen von -0.75 Prozent einzuführen, um den Aufwertungsdruck auf den Franken zu dämpfen.

Bald war klar, dass die Banken diesen Negativzins den Pensionskassen weiterbelasten werden. Das Signal für Anlagechefs von Pensionskassen mit hohen Beständen an Liquidität und kurzfristigen Anlagen, die Bargeldaufbewahrung seriös zu prüfen, war somit gegeben.

Ist das Aufbewahren von Bargeld in grossem Stil durchführbar?

Um die Antwort auf diese Frage zu erhalten, müssen folgende Punkte berücksichtigt respektive geklärt werden.

1. Bargeldbeschaffung

Banken knüpfen Bargeldbezüge in mehrstelliger Millionenhöhe an verschiedene Bedingungen: Der Auszahlungsauftrag muss vom obersten Organ unterzeichnet sein, das Geld wird nur an einer bestimmten Stelle in der Schweiz und nur an bestimmte Werttransporteure übergeben, der Kunde muss sich mit der Offenlegung seines Namens und seiner Daten gegenüber der Nationalbank einverstanden erklären und mit Bargeldbeschaffungskosten von mindestens 0.075 Prozent rechnen.

Die Nationalbank äusserte sich nicht klar, ob sie grosse Bargeldsummen überhaupt zur Verfügung stellen würde. Sie habe den gesetzlichen Auftrag, genügend Bargeld zur Sicherstellung des Zahlungsverkehrs bereitzustellen, jedoch nicht, das Horten von Geldscheinen zu ermöglichen. Letzteres untergräbt die von der Nationalbank gewünschte Wirkung ihrer Negativzinspolitik. Sie wird folglich alles unternehmen, um das zu verhindern.

Als findige Geschäftsleute das Bedürfnis und die Schwierigkeit der Bargeldbeschaffung erkannten, versuchten sie über verschiedene Wege im In- und Ausland an Bargeld zu kommen und dieses für eine Gebühr von 0.2 bis 0.3 Prozent an Pensionskassen zu verkaufen. Aber auch sie mussten feststellen, dass diese Bargeldquellen gesperrt wurden, bevor sie angezapft werden konnten.

2. Geldtransport

Wer die hohe Hürde der Bargeldbeschaffung genommen hat, muss den Geldtransport organisieren. Dies ist zwar ein alltägliches, jedoch teures und an zahlreiche Auflagen gebundenes Geschäft. Weil der Geldtransport punkto Sicherheit die Achillesferse der Geldaufbewahrung darstellt, ist es vermutlich auch der teuerste Posten.

3. Aufbewahrung

Grosse Geldsummen aufzubewahren ist keine komplizierte Sache. Hierzu gibt es in der Nähe von Ballungszentren gelegene Hochsicherheitslager, die entsprechende Räume der Post, den Banken und anderen Institutionen zur Verfügung stellen. Unter Umständen reicht es somit, wenn die Noten-Pakete nur das «Kellerabteil» wechseln. So können Transportkosten gespart werden.

Die sagenumrankten ausgedienten Bunker im Gotthardmassiv gibt es tatsächlich. Sie werden jedoch eher von Informatikunternehmen als von Bargeldhortern benutzt.

Wer Lagermöglichkeiten für Geldscheine sucht, muss sich logischerweise des Volumens der Geldmenge bewusst sein. Würde man Tausendernoten im Umfang von 100 Mio. Franken auf einen Stapel legen, wäre dieser 10 Meter hoch und würde 113.85 kg wiegen. Auf die Frage, ob die Nationalbank verpflichtet sei, in jedem Fall Bargeld auszuliefern, meinte einer ihrer Vertreter, wenn dies der Fall wäre, könne sie jedenfalls niemand dazu verpflichten, Tausendernoten zu liefern. Würde die SNB die 100 Millionen in Zehnernoten auszahlen, wöge das Geld 7.9 Tonnen und erreichte aufgestapelt die Höhe von einem Kilometer! Das grössere Geldvolumen dürfte zu höheren Kosten führen.

Würde die SNB die 100 Millionen in Zehnernoten auszahlen, wöge das Geld 7.9 Tonnen und erreichte aufgestapelt die Höhe von einem Kilometer!

4. Versicherung

Sowohl der Transport als auch das Lagern von Bargeld lassen sich problemlos versichern. Dies gehört zum Tagesgeschäft gewisser Versicherungsunternehmen. Allerdings gehörten bis anhin eher Banken als Pensionskassen zu deren Kundenkreis.

5. Kontrolle

Ähnlich wie Münzen können Banknoten in versiegelten Paketen bezogen werden. Um zu prüfen, ob noch alles Geld vorhanden ist, reicht es folglich, die Pakete zu zählen und zu kontrollieren, ob diese unversehrt sind.

6. Rückführung

Der Schritt der Rückführung der gehorteten Gelder in den Umlauf respektive aufs Bankkonto könnte sich als der heikelste im ganzen Prozess erweisen. Was wäre, wenn die Nationalbank plötzlich eine Gebühr für das Einzahlen von Bargeld ab einer bestimmten Höhe erheben oder kurzfristig neue Banknoten einführen und die alten für ungültig erklären würde? Sie würde dies dann tun, wenn sie die Zinsen noch mehr ins Negative drücken und das Umgehen ihrer Politik mit allen Mitteln zu verhindern suchte.

Kosten

Wegen der beschriebenen Unsicherheiten und weil wohl noch keine Pensionskasse das Aufbewahren von Bargeld in grossem Stil vom Bezug bis zur Rückführung umgesetzt hat, kann keine verlässliche Kostenschätzung abgegeben werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Kosten die Marke von 0.4 Prozent übersteigen.

Gold oder Bitcoin anstelle von Bargeld?

Gold mag als sicherer Wert in Krisenzeiten gelten, als Ersatz für Bargeld dient es nicht. Wer sein Geld in Schweizer Franken sicher und ohne Verlust anlegen muss, ist mit Gold, das starken Wertschwankungen unterliegen kann, schlecht bedient. Dieses Argument gilt noch viel mehr für Kryptowährungen wie den Bitcoin, die nicht einmal einen Sachwert darstellen.

Welche Pensionskasse hortet nun tatsächlich Bargeld?

Zahlreiche Pensionskassen haben die Bargeldanlage im Jahr 2015 gründlich geprüft. Aufgrund der im August 2019 erreichten Rekordtiefwerte am Zinsmarkt taten dies ein paar der grössten Schweizer Vorsorgeeinrichtungen erneut. Wirklich umgesetzt haben es wegen der genannten Schwierigkeiten und Unsicherheiten wohl nur sehr wenige und auch nur in beschränktem Umfang. In Fachkreisen bekannt ist der Fall der Pensionskasse eines im Detailhandelsgeschäft tätigen Unternehmens, die über das Tagesgeschäft des Mutterhauses zu Bargeld kommt.

Allerdings: Wem es tatsächlich gelingt, eine bedeutende Menge an Bargeld zu lagern, der tut gut daran, dies geheim zu halten. Der Mythos bleibt erhalten!

Mehr zum Thema im Heft

In der Januarausgabe 2020 der «Schweizer Personalvorsorge» lesen Sie mehr zu den Folgen der seit fünf Jahren gültigen Negativzinsen für die Pensionskassen.