Das erwähnte Problem mit den Ergänzungsleistungen gibt es immer an den Schnittstellen der einzelnen Sozialversicherungen.
Schuhmacher: Ja – aber genau deshalb muss man die Konsequenzen der Vorschläge auch im Hinblick auf andere Sozialversicherungen beurteilen. Wieso sollen die Leute ja sagen zu einer Verschlechterung ihrer Altersvorsorge? Das Problem der Reform liegt wohl darin, dass sie nicht aus Sicht der Versicherten konzipiert wurde. Sondern von Verbandsvertretern.
Auch von Arbeitnehmervertreter?
Schuhmacher: Ja, aber meines Erachtens sollten bei einer Reform des BVG endlich ein Geburtsfehler korrigiert werden. Nicht Arbeitgeber- und Arbeitnehmer, sondern Arbeitnehmer und Rentner müssten im Stiftungsrat der Pensionskassen vertreten sein. Sie finden in keiner Sozialversicherung Arbeitgeber, die bestimmen können, wie die Leistungen aussehen. So werden die Rentner benachteiligt.
Konrad: Sie sagen zwar, dass das Ihre persönliche Meinung ist. Das könnte auch ein Leitartikel im «KTipp» sein. Die Führung durch die Sozialpartner, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bewährt. Die Pensionskassen erbringen ihre Leistungen und haben in den letzten Jahren auch anspruchsvolle Situationen meistern müssen. Zudem darf nicht vergessen werden, dass wir beim Reformvorschlag über das BVG-Minimum sprechen.
Diese paritätisch zusammengesetzten Führungsgremien haben ja oft längst beschlossen, was nun mit der Reform vorgeschlagen wird?
Konrad: Fälschlicherweise wird immer wieder geschrieben «die PKs senken die Renten». Es sind aber Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter in den Führungsorganen und zunehmend auch Rentnervertreter, die diese Beschlüsse fällen. Da bin ich durchaus einverstanden, dass Rentner auch mitbestimmen können. Das ist in immer mehr Vorsorgeeinrichtungen der Fall.
Schuhmacher: Aber sie haben keinen Anspruch auf einen Einsitz.
Mit dem Argument, dass sie ja garantierte Renten haben?
Konrad: Sobald die Rentengarantie wegfällt, stellt sich diese Frage wieder anders.
Herr Schuhmacher meinte eingangs, das Hauptproblem des Reformvorschlags sei der sinkende Umwandlungssatz, also sinkende Renten. Wie sehen Sie das?
Konrad: Das ist falsch. Die Senkung des Mindest-Umwandlungssatzes wird durch verschiedene Massnahmen kompensiert, also gibt es keine sinkenden BVG-Renten. Natürlich kostet diese Kompensation etwas. Aber auch mit den höheren Spargutschriften erhöht sich das Altersguthaben, und dies hat dann wieder einen positiven Effekt auf die Höhe der künftigen Rente. Insofern gibt es keine Kürzung.
Das tönt nun weniger skeptisch als eingangs?
Konrad: Die grossen Diskussionen bei diesem Vorschlag werden sich um den Rentenzuschlag drehen. Braucht es diesen in dieser Grössenordnung? Braucht es ihn für 15 Jahre? Was passiert nachher? Das sind Fragen, die seitens des ASIP sehr kritisch beurteilt werden.
Es ist ja bereits von Giesskanne die Rede?
Konrad: Das ist es natürlich. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer der umhüllenden Kassen, die schon Umwandlungssatzsenkungen in den Kassen finanziert haben, kommen nun ein zweites Mal zum Handkuss.
Schuhmacher: Gewerkschaften führen auch Pensionskassen. Sie sind hier nicht neutral, sondern denken wohl auch an das Wohlergehen ihrer eigenen Stiftungen – nicht nur an die Versicherten.
Konrad: Ja hoffentlich. Das ist sehr begrüssenswert. Und den Reformbedarf kann man nicht bestreiten.
Interview: Peter Schnider
Fotos: Claudio Zemp