«Schweizer Personalvorsorge» 06/19 - Interview

Das Beste für Teilzeitangestellte: Kein Koordinationsabzug

Die Juniausgabe der «Schweizer Personalvorsorge» zeigt, wie Pensionskassen auf Teilzeit- und Mehrfachangestellte zugehen und Versicherten mit anderen Formen des Zusammenlebens als der Ehe Zugang zu Leistungen verschaffen können. Wir haben mit Nathalie Sesiani gesprochen, die einige Erfahrungen mit diesen Themen hat.

Interview: Gregor Gubser

Frau Sesiani, wer sind Ihre Versicherten?

Die Previs Vorsorge verfügt über 1300 Anschlüsse. Heime und Spitäler sind die grössten und machen rund die Hälfte aller Versicherten aus. Hier sind die meisten Versicherten Frauen, die in der Pflege arbeiten. Ein weiteres Drittel unserer Versicherten arbeitet bei Gemeinden und gemeindenahen Betrieben. Sie arbeiten zum Beispiel in der Verwaltung, aber auch im Werkhof. Für die Gemeinden arbeiten insgesamt mehr Männer.

Wie viele dieser Versicherten arbeiten in Teilzeit?

In den Spitälern arbeitet die grosse Mehrheit der Versicherten Teilzeit. In Gesprächen mit den Vorsorgekommissionen haben wir erfahren, dass dies oft auf die hohen Anforderungen und Belastungen in der Pflege zurückzuführen sei. Selbst Berufseinsteigerinnen setzen auf Teilzeit. Und auch die bestehenden Mitarbeitenden tendieren immer häufiger zu tieferen Pensen. 60 Prozent unserer Versicherten haben ein Pensum von 80 Prozent und weniger. Davon sind 85 Prozent Frauen. 35 Prozent aller Versicherten arbeiten weniger als 60 Prozent.

Die meisten Arbeitnehmenden wollen keine höheren Lohnabzüge und verzichten daher auf die Versicherung des Nebenerwerbs.

Nathalie Sesiani ist Leiterin Vorsorge und Mitglied der Geschäftsleitung der Previs Vorsorge.

Haben Sie auch erfasst, wie viele in Mehrfacharbeitsverhältnissen tätig sind?

Wir können nicht genau ermitteln, wie viele Versicherte mehrere Arbeitsverhältnisse haben. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass einige, die in der Pflege Teilzeit arbeiten, noch einen weniger belastenden Nebenjob haben, da das Lohnniveau in dieser Branche bekanntlich nicht besonders hoch ist.

Welche Möglichkeiten bieten Sie diesen Versicherten für eine optimale Vorsorge an?

Unser Reglement ermöglicht die Versicherung von Nebenerwerben, die unter der Eintrittsschwelle liegen. Dazu müssen die Versicherten bei ihrem Arbeitgeber, also unserem Anschluss, einen Antrag einreichen. Der Arbeitgeber kann das zusätzliche Einkommen für seinen Mitarbeitenden mitversichern und es ist an ihm, den Beitragsanteil beim anderen Arbeitgeber einzufordern. Der Arbeitgeber muss dann die Arbeitgeberbeträge beim anderen Arbeitgeber einfordern. Die meisten Arbeitnehmenden wollen jedoch keine höheren Lohnabzüge und verzichten daher auf die Versicherung des Nebenerwerbs. Lediglich 20 Mehrfacharbeitsverhältnisse bei verschiedenen Spitexorganisationen, die jeweils beide bei uns angeschlossen sind, haben wir statistisch erfasst.

Ist die Möglichkeit der Versicherung eines Nebenerwerbs vielleicht auch zu wenig bekannt?

Das kann sein. Aber die Anschlüsse würden es vermutlich nicht schätzen, wenn wir als Sammelstiftung proaktiv in unseren Newslettern oder auf der Website darauf hinweisen, weil ihnen damit Mehraufwand und Mehrkosten entstehen.

Könnten Sie sich Verbesserungen für Teilzeitangestellte vorstellen?

Das Beste für Teilzeitangestellte wäre, wenn der Koordinationsabzug und die Eintrittsschwelle wegfallen würden, damit jeder verdiente Franken bei jedem Arbeitgeber auch in der beruflichen Vorsorge versichert ist. Wir versuchen daher, unsere Anschlüsse zu motivieren, wenigstens den Koordinationsabzug dem Beschäftigungsgrad entsprechend festzulegen. Auch versuchen wir, die letzten reinen BVG-Anschlüsse zu etwas überobligatorischer Leistung zu bringen.

Was spricht dagegen?

Setzen die Arbeitgeber den Koordinationsabzug tiefer an, steigen automatisch die versicherten Löhne und damit die Beiträge. Dieses Geld fehlt den Angestellten dann in der Lohnauszahlung und belastet den Arbeitgeber bei den Personalkosten. Trotz Kostendruck bei den Arbeitgebern stellen wir vermehrt fest, dass eine Erhöhung des Sparpotenzials ermöglicht wird. So kann ebenfalls sichergestellt werden, dass die umhüllenden Pläne höhere Leistungen als das BVG-Minimum generieren. Dies wiederum führt dazu, dass die Pensionskasse tiefere Rückstellungen für Pensionierungsverluste bilden muss.

Eine gute Versicherung von Teilzeitlern wäre aber auch ein Argument für die Mitarbeiterbindung.

Ja, es gab mal den Leitsatz, dass die Mitarbeitenden das höchste Gut eines Unternehmens sind. Vielleicht kommt dieses Bewusstsein mit steigendem Fachkräftemangel wieder zurück.

Was können Sie sonst unternehmen, um die Vorsorge Ihrer Versicherten zu verbessern?

Im Rahmen der beruflichen Vorsorge können wir die Versicherten informieren und beraten. Beispielsweise können wir ihnen aufzeigen, dass sich eine Säule 3a lohnt oder Einkäufe in die Pensionskasse möglich sind. Beide Varianten bedingen aber natürlich entsprechende finanzielle Ressourcen und Eigenverantwortung der Versicherten. Vorsorgesparen ab dem 20. Altersjahr wäre auch eine Möglichkeit, die Vorsorge zu verbessern. Mit dem Nebeneffekt, dass damit für alle Versicherten das Einkaufspotenzial steigen würde. Aber auch hier: Wenn sich der Arbeitgeber das nicht leisten will oder kann, wird es schwierig.

Themenwechsel: Die Ehe ist nach wie vor eine wichtige Form des Zusammenlebens, doch auch Konkubinatspaare möchten füreinander vorsorgen. Ist das bei Ihnen möglich?

Wir sehen die Begünstigung von Lebenspartnern vor. Dazu müssen die Versicherten eine entsprechende Meldung machen.

Was muss erfüllt sein, damit ein unverheirateter Partner in den Genuss von Hinterlassenenleistungen kommt?

Ob eine berechtigte Lebensgemeinschaft besteht oder bestanden hat, prüfen wir im Leistungsfall. Auf jeden Fall muss die Lebensgemeinschaft mindestens fünf Jahre bestanden haben, genauso eine wesentliche gegenseitige Unterstützung. Ein gemeinsamer Wohnsitz ist nach neusten Urteilen ja nicht mehr zwingend. Dieses Kriterium könnte wiederum auch von einer Wohngemeinschaft erfüllt werden.

Ja, von Liebe oder Zuneigung zwischen den Begünstigten ist ja in keinem Gesetz die Rede.

Das wäre auch schwierig zu überprüfen. Stellen Sie sich vor, wenn wir in den Reglementen auch noch die Prüfung von Emotionen vorsehen müssten (lacht). Diese Frage zeigt aber auch, dass eine Begünstigung am Ende immer die Gefahr eines Kampfes um die Leistung birgt, weil der hinterlassene Begünstigte die Lebensgemeinschaft in irgendeiner Form beweisen muss. Jungen Familien, die auch Kinder absichern müssen, würde ich aus Vorsorgeoptik daher weiterhin zum Trauschein raten.

Wird die Möglichkeit der Begünstigung oft in Anspruch genommen respektive ein zu begünstigender Partner gemeldet?

Ja, wir erhalten viele Anmeldungen. Dies liegt vermutlich auch daran, dass diese Bestimmung unabhängig vom Anschluss über die gesamte Stiftung gilt und wir in unserer Kommunikation aktiv darüber informieren.

Previs Vorsorge

Die Previs, gegründet vor rund 60 Jahren, hat sich als gemeinschaftliche Pensionskasse der Bernischen Gemeinden als moderne Sammelstiftung weit über den Service Public hinaus entwickelt. Rund 80 Mitarbeitende der Geschäftsstelle betreuen 1300 Kunden (Arbeitgeber) mit 39'000 Versicherten und Rentnern.

Mehr zum Thema im Heft

In der Juniausgabe der «Schweizer Personalvorsorge» werden die Themen Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigung sowie die Begünstigung von Lebenspartnern ausführlich behandelt.