Unter der Annahme, dass sich der technische Zinssatz tatsächlich bei rund 2 Prozent einpendelt, beliefe sich der aktuarisch korrekte Umwandlungssatz auf 4.9 Prozent. Nimmt man diesen Wert als Berechnungsgrundlage für künftige Renten, tun sich gewaltige Leistungslücken in der Vorsorge der 2. Säule auf. Ein Arbeitnehmer, der heute in einen Vorsorgeplan einer Kasse eintritt, die keine Gegenmassnahmen ergriffen hat, muss in 40 Jahren mit einer Rente auskommen, die fast 28 Prozent tiefer liegt als in einem Vorsorgeplan, der vor zehn Jahren gültig war (sofern der Realzins weiter bei 0 Prozent bleibt).
Um diesem Rückgang entgegenzuwirken, haben viele Vorsorgeeinrichtungen erste Massnahmen ergriffen. Die Analyse einer Vergleichsgruppe zeigt, dass seit 2010 die Sparziele durch eine längere Beitragsdauer und grössere Sparbeiträge um durchschnittlich 17.6 Prozent erhöht wurden. Damit kann der Rückgang von 28 Prozent aber lediglich abgefedert werden. Auf das obige Beispiel angewendet, heisst das konkret: Es bleibt eine Leistungslücke von rund 15 Prozent im Vergleich mit einem Vorsorgeplan, der vor zehn Jahren gültig war. Wie liesse sich diese verbleibende Leistungslücke schliessen?
Nötig wäre beispielsweise
- eine weitere Erhöhung des Sparbeitrags um 17.9 Prozent,
- eine Verlängerung der Beitragsjahre um 7.2 Jahre
- Senkung des Koordinationsabzugs um 6000 Franken
- Eine um 70 Basispunkte höhere Performance
- Private Vorsorge auf einem 3a-Zinskonto in der Höhe von jährlich 1850.-
oder eine Kombination von Massnahmen in diesen Bereichen.
Träge Asset Allokation der Pensionskassen trotz verschärfter Tiefzinssituation
Obwohl sich die Tiefzinsphase verschärft hat, hat sich die Asset Allokation der Vorsorgeeinrichtungen in den letzten Jahren insgesamt relativ wenig verschoben. So erhöhte sich der Aktienanteil am Gesamtvermögen der Vorsorgeeinrichtungen trotz dem langjährigen Bullenmarkt im Durchschnitt nur leicht. Er stieg von 27 Prozent im Jahr 2009 auf 29 Prozent im Jahr 2018. Stärkere Verschiebungen waren auf Seiten der zinssensitiven Anlagen zu beobachten. So sank der Anteil an Obligationen aufgrund der geringen Rendite von 39 Prozent auf 31 Prozent, während der Immobilienanteil im selben Zeitraum um rund 6 Prozentpunkte auf 25 Prozent anstieg.
Die Unterschiede akzentuieren sich, wenn differenziert wird zwischen grossen und kleineren Vorsorgeeinrichtungen. So haben grosse Pensionskassen, die über 5 Mrd. Franken verwalten, ihren Obligationenanteil um fast die Hälfte auf 16 Prozent zurückgefahren. Sie halten damit deutlich weniger Obligationen als Kassen mit weniger als 500 Mio. Franken an verwalteten Vermögen. Bei den kleinen Kassen beläuft sich der Obligationenanteil noch auf 23 Prozent. Die Studie zeigt damit, dass grössere Pensionskassen bei der Asset Allokation agiler auf veränderte Marktbedingungen reagieren als kleinere.
Hoher Immobilienanteil als zunehmendes Risiko - Immobiliennahe Branchen mit doppeltem Risiko
Insgesamt haben die Vorsorgeeinrichtungen im Durchschnitt in den letzten zehn Jahren ihren Immobilienanteil trotz Warnungen vor zunehmenden Risiken um einen Drittel von 19 auf 25 Prozent erhöht. Damit liegt der Immobilienanteil in der Schweiz deutlich höher als im internationalen Vergleich.
Auffallend hohe Immobilienrisiken gehen Vorsorgeeinrichtungen von Branchen ein, die eine hohe Abhängigkeit vom Immobilienmarkt aufweisen. Beispielhaft dazu die Immobilienanteile der Branchen Bergbau (33 Prozent), Grundstückswesen (31 Prozent) oder Baugewerbe (29 Prozent). Diese Neigung, in branchennahe Anlagen zu investieren, erhöht das Risiko bei einem allfälligen Abschwung.
Problematisch ist aus Risikosicht insbesondere auch die starke Konzentration auf Immobilien in der Schweiz. Eine Verbesserung der Diversifikation - nicht nur im Immobilienbereich - tut Not, so eine Erkenntnis der Studie.
Riesige Unterschiede bei den Renditen - Spielraum wird nicht optimal genutzt
Die Pensionskassen haben ein schwaches Anlagejahr hinter sich. Mit einer durchschnittlichen Performance von -2,8 Prozent (Vorjahr +7,6 Prozent) war das vergangene Jahr das schlechteste Anlagejahr für die Pensionskassen seit zehn Jahren. Die enttäuschende Rendite lag damit deutlich unter der durchschnittlichen Zielrendite der Vorsorgeeinrichtungen von 3 Prozent. Dabei sind enorme Unterschiede festzustellen: Die schlechteste erzielte Rendite lag 2018 bei -8.2 Prozent und die beste bei +11 Prozent. Das Muster einer starken Streuung der Renditen lässt sich auch über einen längeren Anlagehorizont von zehn Jahren feststellen.
Diesbezüglich zeigt die aktuelle Pensionskassenstudie, dass die grösseren Vorsorgeeinrichtungen mit mehr als 500 Mio. Franken verwalteten Vermögen eine bessere Anlageperformance aufweisen. Dies sowohl im letzten Jahr mit -2.6 Prozent gegenüber -3.1 Prozent von Kassen mit weniger als 500 Millionen verwalteten Vermögen. Auch über einen Zeitraum von zehn Jahren schneiden die grossen Kasten mit einer jährlich annualisierten Rendite von 4.6 Prozent durchschnittlich besser ab als die kleinen Kassen mit 4.1 Prozent. Ein solch struktureller Renditeunterschied kumuliert sich über ein ganzes Arbeitsleben zu massiven Unterschieden in den Renten.
Auffällig ist auch: Gemessen an ihrer Risikofähigkeit verzichten viele Kassen aufgrund einer allzu starken Risikoaversion auf Renditechancen. So zeigt die Studie, dass gerade Pensionskassen mit einem guten demografischen Verhältnis ihre Risikofähigkeit nicht ausnutzen. Sie erzielten mit einer annualisierten Rendite über zehn Jahre von 4.1 Prozent eine geringere Performance als Kassen mit einem schlechteren Verhältnis von Aktiven zu Rentnern, die eine Rendite von 4.5 Prozent erwirtschafteten. Durch eine bessere Ausnutzung der Risikofähigkeit und dadurch höhere Renditen liesse sich zumindest ein Teil des Leistungsrückgangs in der 2. Säule kompensieren – und dies ohne zusätzliche Kosten für die Versicherten.
Iwan Deplazes, Leiter Asset Management Swisscanto Invest by Zürcher Kantonalbank, sagt dazu: «Die Erwirtschaftung angemessener Renditen ist zentral für die langfristige Sicherung der Renten. Damit dies gelingt, müssen die Vorsorgeeinrichtungen ihre Risikofähigkeit künftig vollständig ausnutzen und ihre Investitionen stärker über alle Anlageklassen diversifizieren. Bereits eine jährliche Zusatzrendite von 0.7 Prozent könnte die Leistungslücke von 15.2 Prozent schliessen.»
Peter Schnider, Direktor VPS Verlag