BVG-Reform

«Das ist die Schweiz»

Kaspar Hohler
Chefredaktor «Schweizer Personalvorsorge»

Die Sozialpartner haben es geschafft! Schweizerischer Arbeitgeberverband, Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB) und Travail.Suisse haben ein BVG-Reformpaket vorgelegt, das den Namen Kompromiss verdient. Drei Kernelemente des Pakets überraschen nicht: Die Senkung des Mindestumwandlungssatzes ist schlicht zwingend, die Halbierung des Koordinationsabzugs hilft Teilzeitarbeitenden, eine bessere Rente aufzubauen, und eine Reduktion der Staffelung der Altersgutschriften von vier auf zwei Stufen hilft, die Attraktivität älterer Arbeitnehmer zu steigern.

Ein überraschendes Element ist hingegen die Einführung einer Umlagekomponente im BVG. Sie ermöglicht es, den Umwandlungssatz ohne Zwischenschritte und Leistungseinbussen auf 6 Prozent zu senken. Das Konstrukt hat zudem zwei charmante Nebeneffekte: Einerseits wird damit auf elegante Weise ein Anliegen aus der Debatte über die Ergänzungsleistungen aufgenommen. Es wird ein Anreiz geschaffen, Rente statt Kapital zu beziehen. Dies weil nur diejenigen in Genuss des Rentenzuschlags kommen, die auch effektiv eine Rente aus dem BVG-Obligatorium beziehen. Andererseits ist klar, dass der Umwandlungssatz auch mit 6 Prozent immer noch (zu) hoch ist. Hier kann die dauerhaft eingeführte Umlagekomponente in Zukunft helfen, weitere Umwandlungssatzsenkungen quasi schmerzfrei analog der aktuellen Senkung durchzuführen.

Wenn eingangs «die Sozialpartner» genannt wurden, so ist dies zu relativieren: Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) scherte aus und präsentierte ein eigenes Modell für eine BVG-Reform. Der Bruch kommt nicht überraschend: Wie von verschiedenen Beteiligten zu erfahren war, zeigte sich der SGV von Beginn des Verhandlungsprozesses an im Gegensatz zu den anderen drei Verhandlungsparteien nicht wirklich offen dafür, von eigenen Grundpositionen abzurücken und konstruktiv nach Kompromissen zu suchen. Zudem teilte er die Ausgangsposition nicht, das Rentenniveau grundsätzlich zu erhalten und für Teilzeitangestellte zu verbessern.

Der SGV sieht seine Haltung als konsequent. Absolute Konsequenz kann aber in einer dogmatischen Blockadehaltung münden, die der Sache nicht mehr dienlich ist. Ein Beispiel dazu: Ein wesentlicher Grund für die Ablehnung des Sozialpartnerpakets ist die Umlagekomponente. Der SGV ist aus Prinzip gegen eine solche und sieht sie, wie sein Direktor Hans-Ulrich Bigler an einer Medienkonferenz ausführte, quasi als Einfallstor für eine Volksrente. Pierre-Yves Maillard, Präsident der SGB, stellt dieses Element in einem ganz anderen Licht dar: Die Massnahme «redonne du sens et de la crédibilité au deuxième pilier». Innerhalb der Gewerkschaften helfe sie eben genau, die Freunde einer Volkspension, sprich Befürworter einer Abschaffung der 2. Säule zugunsten der AHV, von ihrer Forderung abzubringen und für eine BVG-Reform inklusive Umwandlungssatzsenkung mit ins Boot zu holen.

Die Zustimmung des SAV zu einer Umlagekomponente für einen generellen Rentenaufschlag mag auf den ersten Blick erstaunen. Martin Kaiser, Leiter des Dossiers Sozialversicherungen auf Arbeitgeberseite, strich neben der zentralen Rolle des Elements im Gesamtpaket zwei Unterschiede zur Erhöhung der AHV-Renten um 70 Franken in der Altersreform 2020 hervor, die der SAV noch vehement bekämpfte: Erstens wird die Finanzierung auf 0.5 Prozent fixiert, sprich es gibt keine zukünftigen Mehrkosten. Und zweitens sind Finanzierung wie Leistungen Teil der 2. Säule, womit keine Verschiebungen zwischen den beiden Säulen erfolgt. Letztlich, so Kaiser, sei dem Arbeitgeberverband eine gewisse Umverteilung von Reich zu Arm, wie sie über die Umlagekomponente erfolgt, lieber als eine massive Umverteilung von Jung zu Alt, wie sie über den überhöhten Umwandlungssatz gegenwärtig erfolgt.

Mehrfach wurde an der Medienkonferenz von SAV, SGB und Travail.Suisse die Wichtigkeit betont, einen Kompromiss gefunden zu haben, für den alle Beteiligten Abstriche machen mussten, der aber auch vor dem Volk bestehen kann. Im Verlaufe der Verhandlungen haben sich die Partner denn auch zu guten Teilen von ihren Wunschlisten verabschiedet und sich auf die wesentlichsten Punkte konzentriert. Valentin Vogt, Präsident des SAV, bedauerte zwar das Ausscheren des SGV. Er unterstrich aber, dass drei von vier Verhandlungspartnern die vorgelegte Lösung tragen: «Wenn 75 Prozent zustimmen und 25 Prozent dagegen sind, dann hat man eine Lösung. Das ist die Schweiz.»